Dem Ganzen einen Rahmen geben

Mit Sprache konstruieren wir unsere Wirklichkeit.

Wahlkampf, Paragrafendschungel, Flüchtlingsstrom, Festung Europa, Schuldendrama, Steueroase, Informationskrieg … Metaphern bringen Emotionen in einen Vortrag. Ungezügelter Kapitalismus, atemlose Berichterstattung, Gemetzel mit der Medienkarawane, aufschäumender Aufmerksamkeitsprozess, das Rendezvous unserer Gesellschaft mit der Globalisierung … George Lakoff, Linguist und Experte für Metaphern ist sogar davon überzeugt: „Metaphern können Wahlen entscheiden.“

 Das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig geht davon aus, dass weltweit zwischen 6.500 und 7.000 Sprachen gesprochen werden. Die Struktur einer Sprache prägt die Art und Weise wie wir unsere Welt wahrnehmen.  Raum und Zeit sind dabei grundlegende Dimensionen.

In unseren Breitengraden zum Beispiel verwenden wir relative Raumausdrücke wie links und rechts. In anderen Kulturen aber spricht man in absoluten Himmelsrichtungen wie Norden, Süden, Osten und Westen. Beispiele: „Die Gabel liegt westlich vom Teller“. Als Europäer lesen und schreiben wir von links nach rechts. In Zeitdimensionen übersetzt liegt „früher“ für uns links und „später“ rechts. Araber hingegen ordnen die Zeit von rechts nach links. Im australischen Outback liegt „früher“ wiederum im Osten. Sprache hat auch Einfluss darauf, was wir uns, wie schnell merken und davon wiedergeben können oder wie schnell wir Neues lernen.

Studien belegen zudem, dass bilinguale Personen – also Menschen, die mindestens zwei Sprachen fließend sprechen –  ihre Weltsicht ändern, je nachdem in welcher Sprachwelt sie sich gerade bewegen. Sogar grundlegende Vorlieben und Abneigungen können variieren, abhängig davon, in welcher Sprache die Probanden danach gefragt wurden.

Das lässt den Schluss zu, dass Menschen die grundverschieden sprechen auch unterschiedlich denken. Unsere Sprache beeinflusst wie wir Denken. Unser Denken prägt die Art, wie wir sprechen.

Sprache und Denken

Damit wir die Bedeutung eines Wortes verstehen können, gibt unser Gehirn dem Begriff einen Rahmen. Dieser Rahmen enthält zahlreiche Schlussfolgerungen, die wir beim Sprachenlernen seit unserer Kindheit gelernt haben. Erst dieser Deutungsrahmen gibt einem Wort (s)einen Sinn. Der Vorgang läuft weitgehend automatisch ab. Je öfter wir ein Wort mit einer Interpretation verknüpfen, desto stärker festigt sich dieser Zusammenhang. Unser Gehirn lernt so mittels Sprache Ideen und Konzepte.

Warum ist das wichtig zu wissen?

Es gilt zu erkennen, dass die Realität in der wir leben, eine von Vielen ist. Je nach Wortwahl und Deutungsrahmen entstehen gleiche (common sense) oder unterschiedliche Interpretationen der Wirklichkeit.

Gerade in politisch brisanten Zeiten und einer Flut an Informationen via Printmedien, TV, Radio und den soziale Medien, in denen Jede und Jeder auch Multiplikator und Stimmungsmacher sein kann, ist es wichtig den eigenen Interpretationsrahmen und den der Meinungsmacher zu reflektieren.

„Da es immer mehr als eine Möglichkeit gibt, die Dinge zu begreifen, ist die Wahl des Interpretationsrahmens von entscheidender Bedeutung für unseren Umgang mit der Welt sowie für die Formen und Folgen sozialer Interaktion.“ – so Frank Marcinkowski, Professor für Kommunikationswissenschaften in Münster.

 Framing im politischen Diskurs

Politische Konzepte sind abstrakt. Ein Grund, warum gerade in diesem Themenbereich so gern in sprachlichen Bildern – Metaphern – gesprochen wird. Beim politischen Framing werden Worte im öffentlichen Diskurs so gewählt, dass bestimmte Interpretationsmuster wahrscheinlicher sind. Ziel ist es, die  „öffentliche Meinung“ zu lenken.

„Politische Ideen existieren nicht unabhängig von unseren Gehirnen. Und diese werden Tag für Tag geprägt … gerade auch durch den Sprachgebrauch in der öffentlichen Debatte. So etabliert sich dort unsere Vorstellung von politischen Werten und Verhältnissen.“ – schreibt Elisabeth Wehling, Autorin von „Politisches Framing:  Wie eine Nation sich ihr Denken einredet – und daraus Politik macht.“ [1]

Unsere Sprache scheint also eine äußerst wichtige Rolle bei unseren Denkvorgängen zu spielen. Ein Umstand, den wir auch und gerade im interkulturellen Kontext berücksichtigen sollten.

Der bewusste Umgang mit Sprache braucht dabei weder Wortklauberei zu sein noch Hirnwixerei zu werden. Indem wir sprachliche Konzepte, auch die eigenen, bewusst hinterfragen und eine offene Haltung für „Denk-Alternativen“ einnehmen, erweitern wir unseren Aufmerksamkeitsradius. Unser Denken lenken wir damit auch in andere Umlaufbahnen. Wir entwickeln Konzepte über die Welt, wir verändern sie und wir gestalten sie laufend neu.

„Glaube  nicht alles, was du denkst.“

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[1] „Politisches Framing: Wie eine Nation sich ihr Denken einredet – und daraus Politik macht (edition medienpraxis) von Elisabeth Wehling, 2016